02. Dezember 2022 · 5 Min Lesedauer
And the winner is: Dr. Daniel Braun
(v.l.) Yve Fehring, Prof. Dr. Peter Krug (Vorstandsvorsitzender DSZ) und Dr. Daniel Braun bei der Preisverleihung.
Der Gewinner unseres Dr.-Heinz-Sebiger-Preises 2022 ist Daniel Braun! Mit seiner Arbeit zum Thema „Automated Semantic Analysis, Legal Assessment, and Summarization of Standard Form Contracts” konnte er unsere HSP-Jury überzeugen. In einem Interview mit dem glücklichen Preisträger konnten wir noch mehr über ihn und seine Arbeit erfahren.
Tobias Meisel: Daniel, Du hast deine Promotionsarbeit zum Thema „Automated Semantic Analysis, Legal Assessment, and Summarization of Standard Form Contracts” geschrieben. Was versteht man da genau darunter, könntest Du uns da einen kurzen Einblick geben? Und was waren deine Beweggründe für dieses Thema?
Daniel Braun: Im Rahmen meiner Promotion habe ich untersucht, wie Künstliche Intelligenz eingesetzt werden kann, um Allgemeine Geschäftsbedingungen, insbesondere von Onlineshops, automatisch unter Gesichtspunkten des Verbraucherschutzes zu analysieren. Die Idee dazu wurde geboren, als ich mit zwei Kollegen an einem LegalTech Hackathon teilgenommen habe. Im Vorfeld haben wir uns überlegt, wo wir in unserem Alltag häufig auf juristische Probleme treffen, für die wir uns Unterstützung wünschen würden. Wir kamen dann recht schnell auf AGBs, denen auch wir, wie die meisten Menschen, online zustimmen, ohne sie zu lesen. Wir dachten uns, dass es praktisch wäre, wenn der Computer die AGB für uns lesen könnte, diese zusammenfassen und auf potenziell ungültige Klauseln hinweisen.
Tobias Meisel: Was waren Herausforderungen und wie hast Du diese bewältigt?
Daniel Braun: Eine ganz grundlegende Herausforderung war, dass man für ein solches Thema natürlich juristische Expertise braucht, die ich als Informatiker nicht habe. Dank einer Förderung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz konnte ich mit Expertinnen und Experten der Verbraucherzentralen Hamburg und Brandenburg zusammenarbeiten, die nicht nur das Fachwissen, sondern auch langjährige Praxiserfahrung mitgebracht haben, welche Themen aus Sicht des Verbraucherschutzes besonders relevant sind.
Und dann gibt es bei interdisziplinären Projekten natürlich auch immer die Herausforderung, dass unterschiedliche Kulturen und Herangehensweisen zusammentreffen und man zunächst einmal eine gemeinsame Arbeitsweise und auch Sprache finden muss. Als Informatiker müssen wir oft abstrahieren und vereinfachen, um komplexe Sachverhalte mathematisch zu repräsentieren. So haben wir zum Beispiel die Frage, ob eine Klausel ungültig ist zu einer binären Entscheidung vereinfacht, 1 oder 0, ungültig oder gültig. Mit so einer Simplifizierung tun sich Juristen zurecht häufig schwer, denn in der realen Welt lassen sich solche absoluten Aussagen nur selten treffen, ohne den konkreten Kontext zu kennen. Hier muss man sich aufeinander zubewegen und Lösungen finden, die für beide Seiten funktionieren. Das können manchmal auch Kleinigkeiten sein, wie zum Beispiel das Klauseln als „potenziell ungültig“ markiert werden, statt als „ungültig“.
Tobias Meisel: Welche Bedeutung hat es für Dich mit dem Dr.-Heinz-Sebiger-Preis ausgezeichnet zu werden?
Daniel Braun: Der Dr.-Heinz-Sebiger-Preis ist eine Anerkennung, über die ich mich ganz besonders freue und eine Bestätigung, dass meine Arbeit nicht nur aus Sicht der Informatik-Forschung relevant ist.
Für mich ist es in meiner Forschung immer Ziel nicht nur einen wissenschaftlichen Beitrag zu leisten, sondern auch etwas Positives in der Praxis bewirken zu können.
Außerdem ist die Aufmerksamkeit, die meine Arbeit durch die Auszeichnung bekommt, natürlich auch eine Chance die Ergebnisse meiner Forschung weiter in die Praxis zu tragen. Die Technologien, die ich im Rahmen meiner Promotion entwickelt habe, lassen sich auch auf andere Arten von Verträgen und juristischen Dokumenten anwenden und vielleicht ergeben sich daraus in der Zukunft ja noch weitere spannenden Anwendungen.
Tobias Meisel: Wie kamst Du auf die DATEV-Stiftung Zukunft?
Daniel Braun: Der Lehrstuhl für Software Engineering betrieblicher Informationssysteme von Prof. Matthes an der TU München, an dem ich promoviert habe, unterhält schon lange gute Kontakte zur DATEV, außerdem hatte ich Rahmen des BMBF-Förderprogrammes „Software Campus“ immer wieder Kontakt. So habe ich während meiner Promotion die DATEV als sehr innovatives Unternehmen, gerade auch im Bereich Künstliche Intelligenz, kennengelernt. Von der DATEV-Stiftung Zukunft und dem Dr.-Heinz-Sebiger-Preis im Speziellen habe ich dann über die TUM Graduate School gehört. Am Anfang war ich mir nicht ganz sicher, ob meine Arbeit überhaupt gut genug zu den Themenfeldern – Digitale Berufswelt, IT-Sicherheit und Digitale Vernetzung – passt. Aber die Ziele meiner eigenen Forschung haben sich so in den Zielen der Stiftung und des Preises widergespiegelt, dass ich es trotzdem versucht habe, zum Glück.
Tobias Meisel: Die Preisverleihung fand im Rahmen des DATEV Kongresses in Nürnberg statt. Zusätzlich hatten Mitarbeiter der DATEV eG die Möglichkeit sich mit Dir über Deine Arbeit zu sprechen und Fragen zu stellen. Wie findest Du den Austausch mit den Kollegen bei DATEV?
Daniel Braun: Der Austausch war sehr spannend und ich habe daraus viele Anregungen für meine weitere Arbeit mitgenommen. Es war auch schön zu sehen, dass viele Themen, die mich in der Forschung gerade beschäftigen auch bei der DATEV in der Entwicklung ein Thema sind.
Ich freue mich darauf auch in Zukunft mit der DATEV in Kontakt zu bleiben zu diesen Themen.
Tobias Meisel: Welche Resonanz gab es zu Deiner Arbeit?
Daniel Braun: Die Resonanz war sehr groß und durchweg positiv. Ganz häufig sind Menschen auf mich zugekommen, die mir erzählt haben, dass sie selbst auch keine AGB beim Onlineshopping lesen und wie praktisch es wäre, wenn der Computer das übernehmen könnte. Ansonsten reichte das Feedback von Glückwünschen, über Nachfragen, bis hin zu konkreten Vorschlägen, auf welchen Gebieten man die Technologie noch einsetzen könnte. Das hat mich sehr gefreut.
Tobias Meisel: Was passiert nun mit Deiner Arbeit? Wird diese in irgendeiner Weise fortgeführt?
Daniel Braun: Meine Arbeit wird auf verschiedene Arten weitergeführt. Ich selbst arbeite mit Studierenden zum Beispiel daran, die entwickelten Technologien auf Datenschutzerklärungen anzuwenden. Teile der Softwarepakete, die ich im Rahmen meiner Promotion entwickelt habe, sind inzwischen auch unter Open Source Lizenzen veröffentlicht und können von anderen genutzt werden. Wir werden auch immer wieder von Praktikern angesprochen, die Interesse an der Technologie haben. Ich würde mir auch wünschen die Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen in Zukunft fortzuführen und den Forschungsprototypen, den wir gemeinsam entwickelt haben, zu einem dauerhaften Tool auszubauen. Dafür bemühen wir uns momentan noch um Förderung.
Tobias Meisel: Wie geht es nun für Dich weiter?
Daniel Braun: Ich bin seit letztem Jahr als Assistant Professor an der Universität Twente in den Niederlanden tätig. Während der Promotion ist man natürlich sehr auf ein Thema fokussiert, jetzt habe ich die Möglichkeit meine Forschung etwas breiter aufzustellen. Mein Schwerpunkt liegt auf der Unterstützung wissensintensiver Prozesse mit Natural Language Processing, also automatischer Sprachverarbeitung. Das schließt weiter juristische Prozesse ein, wie die Analyse von Verträgen, aber zum Beispiel auch die Korrektur von Klausuren oder journalistische Recherchen.
Tobias Meisel: Das klingt alles super. Vielen Dank für deine Zeit und vor allem deine Einreichung. Wir freuen uns, Dich im Kreise unseres Doktorandennetzwerks begrüßen zu dürfen und wünschen Dir für die Zukunft alles Gute.
Alle Infos über unseren Dr.-Heinz-Sebiger-Preis gibts hier.
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Unsere Autor:innen
Tobias Meisel
Tobias Meisel ist Mitarbeiter im #TeamDATEVStiftungZukunft
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